Gesammelter Feminismus.
Das Berliner FFBIZ
Roman Aron Klarfeld
»Wir wollen […] vor allem eine Initiative ins Leben rufen, in der Frauen aus der ›alten‹ und ›neuen‹ Frauenbewegung gemeinsam die Planung einer eigenen Bibliothek mit angestellter Bibliothekarin, finanziert aus Senatsgeldern, durchzusetzen versuchen. Der Staat sollte endlich einmal Gelder für ein öffentliches Frauenbildungszentrum zur Verfügung stellen!«
Mit diesen Worten formulierte die Initiativgruppe für ein Frauenforschungs-, bildungs- und -informationszentrum (FFBIZ) in der Frauenzeitschrift Courage im März 1978 ihre Ziele. Den Anstoß gab indirekt eine bekannte Aktivistin der sogenannten alten Frauenbewegung, Helene Lange. Die umfangreiche Bibliothek der Helene-Lange-Stiftung wurde von Frauen aus dem Berliner Frauenbund 1945 e.V. aufbewahrt, zugänglich war sie aber leider nicht, hinzu kamen finanzielle und räumliche Engpässe. Diese Stiftung war 1911 gegründet worden, um durch finanzielle Unterstützung Frauen ein Studium oder wissenschaftliche Forschung zu ermöglichen. Nachdem sie nach dem Ersten Weltkrieg finanziell vor dem Aus stand, wurden die Förderungen eingestellt, aber als Institution blieb sie erhalten. 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lösten sich die Verbände und Vereine der Frauenbewegung auf und übergaben der Helene-Lange-Stiftung ihr finanzielles und kulturelles Vermögen. Die Archive und Bibliotheken dieser Einrichtungen bilden das heutige Helene-Lange-Archiv.
Diese wertvolle Sammlung von über 2000 Büchern zur Frauengeschichte besonders des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sollte bekannt und zugänglich gemacht werden, so die erklärte Absicht der Initiativgruppe 1978. Nachdem in der Courage dazu aufgerufen worden war, »endlich auch ein Frauenforschungszentrum in Berlin« zu gründen, wo Bestände wie z. B. die Unterlagen von Helene Lange dauerhaft gesichert werden können, trafen sich hun-derte Frauen im Frauenzentrum in der Berliner Hornstraße. Das zahlenmäßig riesengroße Interesse bezeugt die Relevanz, die dem Wissen über bereits von Frauen geführte Kämpfe zugeschrieben wurde. Die fehlenden Quellen zur sogenannten Ersten Frauenbewegung führten zu der Erkenntnis, wie wichtig es ist, die eigene Bewegungsgeschichte zu dokumentieren.
Ab Februar 1978 traf sich die Initiative für das FFBIZ regelmäßig im Frauenzentrum. Es wurde breit eingeladen, angesprochen waren Frauen aus den Parteien, den traditionellen Frauenverbänden, Gewerkschaften, Kirchen, Jugendverbänden, autonome Gruppen sowie alle anderen Frauen, die sich dafür interessierten. Ein paar Monate später stand das erste Konzept. Gefordert wurden die öffentliche Finanzierung eines Hauses mit Bibliothek, Archiv, Kinderspielplatz, Cafeteria, Garten und Arbeitsräumen sowie die Bezahlung der dort zu leistenden Arbeit (Auskunfts- und Beratungstätigkeit, Tagungen, Kurse, Veröffentlichungen).
Das erste Ziel, die Unterlagen von Helene Lange und ihre Bibliothek in der neu gegründeten Einrichtung zu bewahren, wurde leider nicht erreicht. Die Materialien gingen ans Landesarchiv Berlin. Die Notwendigkeit für ein Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum blieb. Die ersten Räume in der Danckelmannstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg wurden nach mühsamer Suche im Februar 1980 bezogen, und das FFBIZ wurde schnell zu einer bekannten Adresse für die Frauenbewegung in Westberlin und darüber hinaus. Der Standort in Charlottenburg war wegen der in dem Bezirk damals ansässigen alternativen Szene und der Nähe zu zwei Universitäten für die Initiative genau der richtige Ort. Die Arbeit sollte stadtteilbezogen sein und, neben den bereits organisierten Feministinnen und den Studentinnen, alle Frauen aus dem Kiez ansprechen. Die Forschungs-, Bildungs- und Informationsarbeit sollte allen Bewohnerinnen zugänglich sein, unabhängig von ihrer formalen Qualifikation, Religion und politischen Überzeugung. Die bereits bestehenden Gruppen, wie z. B. die Bibliotheksgruppe, konnten von jeder interessierten Frau erweitert werden. So bildeten sich mit der Zeit auch Gruppen für alleinerziehende Mütter, Migrantinnen und viele mehr.
![Gäste und Mitarbeiterinnen bei der Eröffnung des FFBIZ in der Danckelmannstraße 13, 16.02.1980 [Gisela Vollradt]](https://www.das-feministische-archiv.de/archiv/geschichte/ffbiz-geschichte-eroeffnung.jpg)
→ C Rep. 40 Acc. 1 Nr. 19/3 Berlin 20.8
Ein Trend zur Frauenforschung
Die Idee, ein Zentrum zu gründen, bei dem Frauenforschung im Mittelpunkt steht, hatten nicht nur die FFBIZ-Gründerinnen. Auch an der Freien Universität wurde an einem von der damaligen Dozentin Hanna Beate Schöpp-Schilling initiierten Konzept für ein »Zentralinstitut für Frauenforschung« gearbeitet. Das vermehrte Interesse an Frauenforschung versuchte sich auch die FDP zu eigen zu machen. Es war kurz vor den Wahlen, 1979, und der damaligen SPD/FDP-Regierung lag viel daran, aus dem Kreis der Alternativen Liste Wähler*innen für die jeweilige Partei zu gewinnen. Das erklärt vermutlich auch das Engagement von Wissenschaftssenator Peter Glotz (SPD) für ein universitäres Institut für Frauenforschung. Die FDP strebte hingegen eine eigene Stiftung unter dem Namen Maria-Elisabeth-Lüders-Stiftung an, die frauenspezifische Bildung und Forschung fördern sollte. Nach der Wahl waren beide Vorhaben jedoch sehr schnell wieder vergessen.
Das FFBIZ hatte grundlegend andere Vorstellungen. 1976 fand in Berlin die erste Sommeruniversität für Frauen statt. Frauen hatten dort die Möglichkeit, neue Forschungsergebnisse vorzustellen und zu diskutieren. Die Trennung zwischen außeruniversitärem Aktivismus und universitärer Forschung sollte aufgehoben werden. Den Gründerinnen des FFBIZ schwebte von Anfang an ein umfassendes Konzept eines Zentrums für Frauen(selbst)bildung und Frauenforschung vor, in dem die Bereiche Dokumentation, pädagogische Arbeit und Forschung nicht nebeneinander existieren, sondern eng miteinander verzahnt werden sollten. Die Entscheidung, einen solchen Ort außerhalb der Universitäten zu schaffen, wurde bewusst getroffen. Ziel war es, herrschaftskritisches Wissen produzieren zu können. Dabei war es unabdingbar, den eigenen politischen Aktivismus zu dokumentieren und gleichzeitig so viel Material wie möglich über andere feministische Aktivitäten und Strömungen in Vergangenheit und Gegenwart zu sammeln. Schließlich sollte das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden.
So war das FFBIZ zu Beginn weit mehr als ein Ort zur Bewahrung der eigenen Bewegungsgeschichte, aber auch die Forschung wurde nicht als Selbstzweck verstanden. Vielmehr stand der Anspruch im Zentrum, die Möglichkeit für Weiterbildung, Kurse und Diskussionen zu frauenspezifischen Fragen zu schaffen. Sowohl die Forschungsagenden des FFBIZ als auch die darin entwickelte Sammelpraxis leitete sich aus diesem Anliegen ab. Das Archiv verstand sich als Teil der Frauenbewegung, als ein bewegter Ort, nicht als bloßer Ort der Bewahrung von bereits fixierter Vergangenheit. Auch wenn die Archivarbeit erst später in den Mittelpunkt des Projekts rückte, war der Bereich immer ein essentieller und wichtiger Teil. Die Vielzahl der beteiligten Frauen, sowie die wechselnden Engagierten zeigen sich in der Sammlung wieder. So gab es nie eine einheitliche Sammelstrategie, sondern immer einen breiten Rahmen, der von den jeweils beteiligten Personen und deren Interesse und Aktivismus gefüllt wurde.
Im FFBIZ fanden sich von Beginn an Historikerinnen und geschichtsinteressierte Frauen zusammen, um gemeinsam Geschichten von Frauen zu erforschen und öffentlich zu machen. Auch dieser Bereich war als einer von vielen gedacht. So sollte das FFBIZ als Forschungs-, Bildungs- und Dokumentationseinrichtung ein Ort des Wissenstransfers von und für Frauen sein. Geschichte spielte dabei immer eine Rolle, aber nicht unbedingt die Hauptrolle. Die Fokussierung auf die Archivarbeit geschah erst in den 1990er Jahren, als es nicht mehr möglich war, durch ehrenamtliche Mitarbeit die vielen Bereiche des FFBIZ weiter zu betreiben. Die räumliche Veränderung 2003, der Umzug in die Eldenaer Str., wo das FFBIZ neben einem Magazinraum über nur ein Büro verfügt, hat weiter zur Konzentration auf das Kernthema Archiv beigetragen.

→ F Rep. 10 Berlin 21.22 a (2152)
»Staatsknete« und Bewegungsarchive
Bereits zu Beginn der Arbeit am FFBIZ im Jahr 1978 wurde ein Verein gegründet, denn anders als in großen Teilen der autonomen Frauenbewegung, die jede Form von »Staatsknete« ablehnten, war es hier von Beginn an erklärtes Ziel, die Arbeit im Projekt durch öffentliche Gelder zu finanzieren. Die FFBIZ-Frauen forderten schon in ihrem Gründungsaufruf die staatliche Finanzierung und Anerkennung ihrer Arbeit als Bildungs- und Forschungsarbeit: »Wir müssen Schluß machen mit der Bescheidenheit weiblichen Wissensdurstes und weiblicher Gratisarbeit.« Die Frauen sahen ihre Arbeit im FFBIZ als gesellschaftlich notwendig und wollten dafür eine angemessene Entlohnung. Gleichzeitig war ihnen die Autonomie des Projekts wichtig. Die Idee eines Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrums für Frauen unabhängig von ihrer jeweiligen beruflichen Qualifikation sollte nicht aufgegeben werden. Es wurde viel diskutiert, wie eine mögliche Aufteilung von Geld aussehen könnte. Eine finanzielle Förderung sollte auf alle Frauen, die im FFBIZ mitarbeiteten, aufgeteilt werden. Die Frauen, die bereits gut bezahlte Stellen innehatten, sollten Geld an das FFBIZ spenden. Bezieherinnen von Arbeitslosengeld, Studentinnen, Hausfrauen und Geringverdienerinnen sollte dieses Einkommen zur Aufstockung dienen.
Ab Mitte der 1980er Jahre gelang es, die Grundfinanzierung über den Berliner Senat sicherzustellen, dazu kamen Gelder für einzelne Projekte aus anderen Quellen. Wie bei den meisten feministischen Projekten war die Förderung trotzdem nie ausreichend, und auch das FFBIZ wurde und wird zu einem Teil durch ehrenamtliche und unbezahlte Arbeit getragen. Hinzu kommt, dass das finanzielle Auskommen des FFBIZ auch nach 39-jährigem Bestehen keineswegs auf lange Zeit gesichert ist, da die Weiterförderung durch den Berliner Senat von Jahr zu Jahr neu beschlossen werden muss, mit all den Konsequenzen, die sich aus politischen Machtwechseln und damit verbundenen veränderten Agenden jederzeit ergeben können. Dennoch ermöglicht die – bei weitem nicht üppige oder ausreichende, aber die Basis sichernde – Finanzierung durch das Land Berlin eine relative Kontinuität, die für jede systematische Sammel- und Dokumentationspraxis unabdingbar ist.
Gleichzeitig verstand sich das FFBIZ immer als Teil der Bewegungsarchive und ist seit Jahren an der Organisation des inzwischen jährlich stattfindenden Workshops der Archive von Unten beteiligt. Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, die ebenfalls aus sozialen Bewegungen entstanden sind, ist für das FFBIZ von großer Wichtigkeit. Neben dem Netzwerk der Archive von Unten ist das Archiv gemeinsam mit anderen Frauen-/Lesbenarchiven, -bibliotheken und -dokumentationsstellen im i. d. a-Dachverband organisiert. Diese Vernetzung ist wichtig, da Bewegungsarchive ganz anders funktionieren als staatliche Einrichtungen, weil sie in den meisten Fällen viel weniger finanzielle Ressourcen haben und es nicht wie bei staatlichen Behörden eine Abgabepflicht gibt, sodass Archivmaterial aktiv gesucht und erworben werden muss.
Noch viel entscheidender ist jedoch der politische Anspruch, der Bewegungsarchive grundsätzlich von staatlichen Archiven unterscheidet. Zwar scheiden sich unter den Bewegungsarchiven die Geister in der Entscheidung zwischen »Staatsknete« und »Autonomie«, doch gleichgültig, ob eine Einrichtung die Entscheidung getroffen hat, sich um öffentliche Gelder zu bemühen oder diese abzulehnen, die Verpflichtung gegenüber den Bewegungen 46 bleibt. Gleichzeitig macht eine staatliche Finanzierung die Bewahrung der Bewegungsgeschichte oft erst dauerhaft möglich. Mittlerweile hat auch die klassische Archivlandschaft die Arbeit von Bewegungsarchiven zu schätzen gelernt. Seit 2009 gibt es im Verband der deutschen Archivarinnen und Archivare einen Arbeitskreis zu Überlieferungen der Neuen Sozialen Bewegungen. So bilden Archive von Unten eine Opposition zur hegemonialen Wissensproduktion und bieten mit ihrer Sammelpraxis die Möglichkeit, auf Quellen zuzugreifen, die in staatlichen Archiven als sammlungsunwürdig erscheinen.
![Literarischer Salon mit Berta Waterstradt [unbekannt]](https://www.das-feministische-archiv.de/archiv/geschichte/ffbiz-geschichte-salon.jpg)
→ C Rep. 40 Acc. 1 Nr. 362 Berlin 20.8
Kontroversen & Kontinuitäten
Die öffentliche Förderung und die damit zusammenhängende zunehmende Institutionalisierung hat jedoch auch ihre Kehrseite. Gemeinsam mit einem fehlenden Generationenwechsel sowie mit der räumlichen Entfernung von Bewegungsorten durch den Umzug auf das Areal des ehemaligen Schlachthofs in Nord-Friedrichshain führte sie leider dazu, dass sich das FFBIZ mit der Zeit auch vom feministischen Aktivismus als solchem entfernte. So wichtig bezahlte (Teilzeit-)Stellen für die kontinuierliche Sammelpraxis und Archivarbeit sind, so sehr lebt die Archivarbeit doch davon, Teil einer oder mehrerer »Bewegungen« zu sein. Seit einigen Jahren versucht das FFBIZ, wieder zu einem Ort zu werden, der nicht nur feministische Geschichte dokumentiert, sondern auch zur Vermittlung zwischen feministischen Generationen und feministischen Strömungen beiträgt.
Unser Angebot an Archivführungen bietet Studierenden, Forschenden und allen anderen Interessierten die Möglichkeit, auf unkomplizierte Art und Weise das Archiv kennenzulernen. Mit Veranstaltungen, wie einer queer-feministischen Filmreihe, einem Lesekreis und Workshops z. B. auf Lady-Festen steuern wir Beiträge zu öffentlichen Diskussionen bei. Zur Sichtbarkeit der Ergebnisse unserer Nutzer*innen haben wir unser Heft Spurensicherung: Feminismus in Aktion und Dokument herausgegeben.
Neue Projekte wie z. B. unser Oral History-Projekt sollen ebenfalls dazu beitragen, zu einem Ort der Vermittlung und feministischer Aktivitäten zu werden. Im Rahmen dieses Projekts werden seit Dezember 2014 Frauen interviewt, die die Stadt Berlin seit 1968 politisch geprägt haben. Besonderes Augenmerk gilt Menschen, die als Teil der Frauen/Lesbenbewegungen autonome Institutionen, Netzwerke und andere Infrastrukturen in (Ost- und West-) Berlin entwickelt, gestaltet und begleitet haben. Ziel ist es, das Wissen und die historischen Erfahrungen dieser Personen in Form von Video-Interviews für Forscher*innen und die inte-ressierte Öffentlichkeit zu bewahren. Zu den bisherigen Interviewpartnerinnen gehören z. B. Dagmar Schulz, die Mitbegründerin des feministischen Frauengesundheitszentrums war, Ulrike Busch als ehemalige Vorsitzende von pro familia, oder Alexandra Goy, die als Anwältin am Antidiskriminierungsgesetz mitgewirkt hat. Diese Interviews sind wunderbare Quellen und ergänzen durch die persönliche Erzählung und die jeweils spezifische Perspektive das schriftliche Quellenmaterial.
Dem Grundsatz der Vielstimmigkeit folgt die Sammelpraxis des FFBIZ seit den Anfängen. Es geht dabei nicht einfach darum, die Materialien bestimmter Gruppen, Personen oder Richtungen zusammenzutragen, sondern vor allem die unterschiedlichen Herangehensweisen an Themen abzubilden sowie Kontroversen, Umbrüche und Kontinuitäten zu dokumentieren. Ein gutes Beispiel dafür ist Sexarbeit, ein bis heute in feministischen Zusammenhängen kontrovers diskutiertes Thema. Bei uns im Archiv sind dazu beispielsweise Unterlagen des Vereins Hydra zu finden, der sich unter anderem für die Anerkennung von Sexarbeit als Beruf einsetzt. Ein damit im Widerstreit stehender Standpunkt zeigt sich im ebenfalls bei uns aufbewahrten Nachlass einer Domina, die sich in ihrer politischen Arbeit für die Bekämpfung der Prostitution stark gemacht hatte und eine Befürworterin des schwedischen Gesetzesmodells war.
Weitere Beispiele für immer wiederkehrende und – bei aller Verschiedenheit – generationenübergreifende Themen sind die Kämpfe für das Recht auf Abtreibung. Der Kampf gegen den § 218 (Verbot des Schwangerschaftsabbruchs) zog sich durch alle feministischen Lager. Im Archiv haben wir eine große Menge an grauer Literatur zu den Protesten seit den 1970er Jahren, hinzu kommen unzählige Plakate, Fotos, Buttons und auch Radiobeiträge. Nach der Einführung der Fristenlösung wurde es zwar ruhiger um das Thema, doch die vehemente Präsenz von Abtreibungsgegner*innen (zum Beispiel jeden Herbst beim Marsch für das Leben in Berlin) zeigt deutlich, wie notwendig es nach wie vor ist, für das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung zu kämpfen. Unsere Aufgabe ist es nun, auch die aktuellen Debatten in die historische Dokumentation einzubinden, um Kontinuitäten und/oder Verschiebungen aufzuzeigen.
Digital trifft Analog
Vor ganz andere Herausforderungen stellen uns digitale Quellen. Kampagnen erfahren große Verbreitung über twitter oder facebook. Diskussionen werden innerhalb kürzester Zeit zu weit verzweigten Datenmengen. Gerade bei den Bewegungsarchiven muss in diesem Zusammenhang ein Umdenken stattfinden, denn die Sammelpraxis sollte sich im Idealfall der Bewegung anpassen. Allerdings entsteht gerade an diesem Punkt eine besonders ausgeprägte Kluft zwischen politischer Idealvorstellung und vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen. Umso mehr sind wir, wie alle Bewegungsarchive, auf die Mitarbeit von Aktivist*innen angewiesen und freuen uns über jedes Material, das unser Archiv mit Wissen bereichert.
Neben der unendlichen Arbeit, die Debatten selbst zu sichten und die zu archivierenden Beiträge auszuwählen, stellt uns die wichtige Aufgabe, diese Daten zu sammeln und zu bewahren, allerdings vor neue Herausforderungen in Bezug auf technisches know-how und Speicherkapazitäten. So hält säurefreies Papier mehrere hundert Jahre, Druckerzeugnisse, die nicht säurefrei sind nur noch 70 bis 100 Jahre. Eine CD hält vermutlich 5 bis 10 Jahre und ein USB-Stick 10 bis 30 Jahre, wobei damit noch nicht garantiert ist, dass das Dateiformat nach diesem Zeitraum noch lesbar ist. Gleichzeitig fließt zurzeit viel Geld in Digitalisierungsprojekte – auch in unserem Bereich. 2018 wird das Digitale Deutsche Frauenarchiv online gehen und Digitalisate aus Frauenarchiven und -bibliotheken präsentieren. Diese Möglichkeit birgt großartige Chancen für Einrichtungen wie das FFBIZ. Wir können unsere Bestände einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Bereits brüchige Materialien müssen nicht mehr im Original vorgelegt werden. So hat die Digitalisierung auch für uns durchaus ihre Vorteile.
Jubiläumsjahr 2018
2018 feiert das FFBIZ sein 40jähriges Bestehen, was uns motiviert in die Zukunft zu blicken und weitere spannende Pläne zu schmieden. Unser Oral History Projekt soll 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt werden und über eine eigene Webpräsenz zugänglich gemacht werden. Wir möchten uns räumlich vergrößern, um auch weiterhin Material fachgerecht bewahren zu können. Gleichzeitig ist es uns neben der professionellen Archivarbeit wichtig, die Nähe zur Bewegung aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Aus diesem Grund haben wir uns für eine Jubiläumspublikation unter Einbeziehung vieler verschiedender Akteurinnen entschieden. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Jahre!
![Gisela Vollradt vom FFBIZ auf der West-Ost-Frauendemonstration vom Mehringplatz zum Lustgarten unter dem Motto „5 Minuten vor 12“, 01.10.1990 [Helgard Rohrmoser]](https://www.das-feministische-archiv.de/archiv/geschichte/ffbiz-geschichte-frauendemo.jpg)
→ C Rep. 40 Acc. 1 Nr. 541 Berlin 20.8