Aufruf zum Internationalen Friedenszug der Frauen
Kathrin Stern
Dipl. Sozialwissenschaftlerin, Autorin u. a. von Die „Frauen für den Frieden/Ostberlin“ – Widerstand oder Opposition? (Oldenburg 2009)1978 – das offizielle Gründungsjahr des FFBIZ fällt in eine Zeit, in der sich auch die Friedensbewegung erneut konstituierte. So protestierten Menschen aus Ost und West, Nord und Süd, vor allem nach dem Nato-Doppelbeschluss 1979 gegen das „Wettrüsten in Ost und West, gegen die geplante Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern“ in der BRD und anderen westeuropäischen Staaten, wie es auch in der Presseinformation zum Friedensmarsch 1982 von Berlin nach Wien heißt.
Als Teil der Friedensbewegung entstanden in Europa in dieser Phase des internationalen Aufrüstens Frauenfriedensgruppen – zunächst in den Niederlanden und der Schweiz, dann aber auch in der Bundesrepublik und der DDR. Den Anstoß hierfür gab eine Unterschriftensammlung dänischer Frauen 1980, in der diese nicht nur ihre Verzweiflung hinsichtlich der politischen Entwicklungen formulierten, sondern auch ihr politisches Engagement ankündigten. In den Folgejahren protestierten Frauenfriedensgruppen international mit ganz unterschiedlichen Aktionen gegen das Wettrüsten und für ein friedliches Miteinander. So war der Friedensmarsch von Berlin nach Wien 1982 von den Westberliner Frauen für den Frieden organisierten worden, die damit auf ihre Anliegen aufmerksam machten. Begegnet wurde ihnen, wie aus der Quelle eindrucksvoll hervorgeht, vielfach mit Unterstützung, aber auch mit Unverständnis, welches die Menschen mit Aussagen wie „Arbeiten solltet ihr!“ oder „Geht doch rüber!“ kundtaten. Gerade diese zwei Vorurteile rührten dabei an das Selbstverständnis der Frauengruppe; waren zum einen viele der Teilnehmenden doch nicht nur in der Regel erwerbstätig, sondern kämpften darüber hinaus seit Jahren für gleiche Chancen in Bildung und Beruf. Zum anderen wurde nicht nur von einigen Frauen aus Skandinavien eine Friedensmarschroute über verschiedene Orte in Russland genommen, sondern darüber hinaus auch die ostdeutsche Frauenfriedensbewegung, die sich 1982 konstituierte, von Friedensfrauen aus dem Westen unterstützt.
Sehr eindrucksvoll veranschaulicht das Dokument das Engagement der Westberliner Friedensfrauen, denen es gelang, mit ihrem Friedensmarsch ihre Forderungen öffentlich zu machen, und die dabei viele Menschen motivierten, sich mit ihnen auf den Weg zu machen. Abverlangt wurde ihnen dabei viel, denn neben Menschen, die ihnen hilfreich und unterstützend zur Seite standen, gab es auch einige, die ihnen mit Spott und Häme begegneten. So überwanden die Teilnehmenden eigene, aber auch nationalstaatliche Grenzen und das Blockdenken der Zeit, indem der Friedensmarsch nicht nur durch westeuropäische Länder, sondern auch durch die DDR und sowjetisches Gebiet führte. Diese Internationalität kennzeichnete die Frauenfriedensbewegung insgesamt und schloss auch die ostdeutschen Frauenfriedensgruppen ein.
In einer Zeit, die wie die gegenwärtige von internationalen bewaffneten Auseinandersetzungen gekennzeichnet ist, lohnt ein Blick in eine solche Quelle, die nachdrücklich aufzeigt, mit welchem Engagement Frauen und Männer vor knapp vierzig Jahren gegen die atomare Aufrüstung gekämpft und welche Hindernisse sie dabei überwunden haben. So regt dieses Dokument zum Nachdenken über die Hinterlassenschaften und die Existenz der Friedensbewegung an. Es unterstreicht zugleich eindrucksvoll die Bedeutung der Tätigkeiten des FFBIZ, das durch die Sammlung und Zugänglichmachung einer Vielzahl von Quellen, Objekten und Materialien die Geschichte unerschrockener Frauen und Frauengruppen, die die Welt veränderten, nicht nur wachhält, sondern durch die überlieferten Biografien und Geschichten auch Perspektiven für die Gegenwart aufzeigt.