Christliche Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus
Corinna Tomberger
Referentin der Zentralen Frauenbeauftragten der Freien Universität Berlin, forscht als freischaffende Kunstwissenschaftlerin zu Erinnerungskultur und Geschlecht, hat vielfach mit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zusammengearbeitet und zu diversen Themen im FFBIZ recherchiert.Die Broschüre begleitete die Ausstellung Christliche Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus. Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück 1939 bis 1945, die von 1998 bis 1999 in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zu sehen war. Sie stellt in 36 Porträts christliche Frauen unterschiedlicher Herkunft vor, die sich dem nationalsozialistischen Regime widersetzt haben und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verschleppt wurden. Neben biografischen Texten veranschaulichen Fotos und historische Dokumente die Lebenswege der Frauen. Seit 1959 erinnert die Gedenkstätte in Fürstenberg an der Havel an das größte nationalsozialistische Frauenkonzentrationslager auf dem Gebiet des damaligen deutschen Reichs. Dort waren zwischen 1939 und 1945 etwa 132 000 Frauen und Kinder sowie 20 000 Männer aus über 40 Nationen inhaftiert.
Mit der Ausstellung über christliche Frauen führte die Mahn- und Gedenkstätte einen biografischen Ansatz fort, den sie erstmals 1994 in der Ausstellung Ravensbrückerinnen verfolgt hatte. Individuelle Lebensgeschichten sollten einen Raum „für die Erinnerung an diese Frauen“ eröffnen; schließlich waren sie, wie die damalige Gedenkstättenleiterin Sigrid Jacobeit betonte, „keine anonyme Masse“. Die Ausstellung war im ehemaligen Zellenbau zu sehen, dem früheren Gefängnisgebäude des Konzentrationslagers, das seit 1984 17 Ländergedenkräume beherbergt. Nach dem Ende der DDR wurden Gedenkräume für weitere, in der sozialistischen Gedenkkultur vernachlässigte Verfolgtengruppen ergänzt, etwa für die verfolgten und ermordeten Jüdinnen. Als Archivobjekt dokumentiert die Begleitbroschüre somit nicht allein die Biografien der verfolgten Frauen, sondern auch einen Perspektivwechsel in der Gedenkkultur, den die ehemaligen DDR-Gedenkstätten in den 1990er Jahren vollzogen.
Viele feministische Akteur*innen interessieren und engagieren sich für den Gedenkort Ravensbrück und seine Geschichte. Aktivistinnen der Ostberliner Gruppe Lesben in der Kirche legten erstmals 1984 in der damaligen Nationalen Mahn- und Gedenkstätte einen Kranz für die homosexuellen Frauen im Lager nieder, den die Staatssicherheit anschließend entfernte. Westberlinerinnen organisierten bereits vor dem Mauerfall Tagesfahrten „nur für Frauen“ in die Gedenkstätte, wie ein handschriftliches Plakat von 1986 im Bestand des FFBIZ dokumentiert. Gegen die Eröffnung eines Supermarktes auf einem Areal, das früher zum Konzentrationslager gehört hatte, protestierten 1991 auch feministische Aktivist*innen – letztlich erfolgreich. Auf dem nahe gelegenen Gelände des ehemaligen „Jugendschutzlagers“ veranstalten feministische FrauenLesbenTrans-Aktivist*innen seit 1997 Baucamps, um diesen Ort für ein öffentliches Gedenken zugänglich zu machen. Aktuell streitet die Initiative Autonome FrauenLesben aus Deutschland und Österreich mit der zuständigen Stiftung darum, eine Gedenkkugel für lesbische Frauen in der Gedenkstätte Ravensbrück platzieren zu dürfen.
Nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten der Gedenkstätte bildet Ravensbrück einen Kristallisationspunkt für das Nachdenken über Frauen im Kontext nationalsozialistischen Gewalthandelns – als Opfer wie als Täterinnen. Das FFBIZ dokumentiert beide in seinem Bestand: Dazu zählen Materialien zur Ravensbrücker Sonderausstellung Lagerbordelle. Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern wie auch zu der Ausstellungspublikation Im Gefolge der SS über Aufseherinnen im KZ-Ravensbrück. Diese Objekte veranschaulichen die Bedeutung von Ravensbrück – als historischer Ort wie als Gedenkstätte – für eine Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Terrorregime aus Frauen- und Geschlechterperspektive.