Plakat

Frauen­kampf für Lebens­lust.
Frauen-Kette gegen Kern-Spaltung

1960 geboren, seit 1981 im Landkreis Lüchow-Dannenberg und im Widerstand aktiv. Sie leitet das Gorleben Archiv (www.gorleben-archiv.de), in dem sich Dokumente aus über 40 Jahren Widerstand gegen die Gorlebener Atomanlagen befinden.

Es ist der 22. Februar 1977, als im kleinen verschlafenen Wendland, einem Zipfel zwischen den DDR-Grenzen im nordöstlichen Niedersachsen, die Abendnachrichten laufen. Der Tagesschausprecher gibt bekannt, dass in Gor­leben ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) entstehen soll. Seit diesem Tag hat sich der Landkreis Lüchow-Dannenberg umfassend verändert und internationalen Bekanntheitsgrad erlangt.

Für Planungsexperten der Atomlobby ist Lüchow-Dannenberg 1977 ein strukturschwaches, dünnbesiedeltes Gebiet. Die Atommülldeponie und die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) werden als „Entwicklungshilfe“ verkauft und dem Landkreis Wohlstand, Fortschritt und Arbeitsplätze versprochen. Das war die erste Fehleinschätzung von Politik und Atomwirtschaft. Der zweite Irrtum war deren Einschätzung der Bevölkerung. Frauen und Männer aus der Landwirtschaft (später „Bäuerliche Notgemeinschaft“) und der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg fühlten sich hintergangen und getäuscht. Frauen der ersten Stunde wie Marianne Fritzen und Lilo Wollny sind zu dieser Zeit 53 und 52, Rebecca Harms 21 Jahre alt.

Es formiert sich Widerstand – ein Widerstand, der 2017 kraftvoll und willensstark in die vierte Generation geht. Frauen haben in der Wendländischen Protestkultur immer eine große und wichtige Rolle gespielt. Unter dem Motto „Frauen kämpfen für das Leben“ treffen sich im August 1979 zum ersten Mal Frauen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg und vereinbaren gemeinsame Aktionen. Die „Gorleben-Frauen“ sind gegründet. Sie werden sich viele Jahrzehntelang kritisch und aktiv mit den Plänen der Atomindustrie auseinandersetzen und konsequenten Widerstand leisten.

Ja, es waren die Frauen, die den Widerstand maßgeblich ins Rollen brachten. Landfrauen wie z. B. Gudrun Scharmer, Elke Albrecht, Giesela Köthke, Anna von Bernstorff oder Alwine Abbas entwickelten ein Netzwerk und überzeugten schnell mit Kompetenz in Sachen Atomenergienutzung. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) wurde persönlich in Hannover aufgesucht. Eine Gruppe von Frauen drückte ihm ein Päckchen mit unverseuchtem Honig und noch nicht bestrahlten Eiern in die Hand und fragte ihn nach seiner Verantwortung für die kommenden Generationen. Anfang April 1980, zu Ostern, organisierten die Gorleben-Frauen ein internationales Frauentreffen, zu dem mehr als 5 000 Teilnehmerinnen kamen. Bei einem Nachtspaziergang wurde die Bohrstelle 1004 erkundet, die eingesetzten Wasserwerfer mit Gesang vertrieben. In den 33 Tagen des Hüttendorfes 1004 stand selbstverständlich ein Frauenhaus.

Mit unzähligen Aktionen bereicherten die Gorleben-Frauen den Widerstand – kreativ, humorvoll und entschlossen. Sie schrieben unzählige Briefe an Vertreterinnen von Politik und Kirche sowie anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen. Sie fuhren durch das gesamte Bundes­gebiet, um auf die Castortransporte aufmerksam zu machen, sie reisten zu verschiedenen AKW-Standorten auch ins Ausland um ein internationales Netz im Frauenwiderstand zu knüpfen – selbstbewusst, selbstironisch und beharrlich.

Die Gorleben-Frauen – Heike Mahlke, Marie-Luise Ebeling, Margrit Albers, Edelgard Gräfer, Elisa Mombaur, Brita Kärner, Uta-Helene Götz, Irmela Turmann und viele, viele andere Frauen. Danke für euren Einsatz!

Die einzigartige Protestgeschichte ist derweil noch nicht Geschichte – es gibt kein Endlager für den atomaren Müll!