Hexengeflüster
Feministische Gesundheitsrecherchegruppe Berlin
besteht aus Alice Münch, Julia Bonn und Inga Zimprich und wurde 2015 gegründet.Liebe Herausgeberinnen des Hexengeflüsters,
liebe Christine Ewert, Gaby Karsten, Dagmar Schultz und liebe Joan Murphy,
auf dem Cover des Hexengeflüsters neigt sich eine ältere Frau zu einer Jüngeren, der sie etwas ins Ohr flüstert. In unserem Treffen in der Recherchebibliothek zur Gesundheitsbewegung 2016 haben wir zwei Frauen aus den Anfängen des Feministischen Frauengesundheitszentrums Berlin (FFGZ) getroffen, dich, Dagmar, und dich, Joan. Aus diesem Treffen wissen wir, dass die alte Frau Dagmars Großmutter ist, die der Jüngeren „Schafskopf! Schafskopf!“ ins Ohr flüstert. Sie wusste, dass sie für ein Titelbild posierte – und hatte nichts dagegen, auf dem Cover eines Selbsthilfebuchs zu stehen. Diese Weitergabe von Wissen von einer Generation zur nächsten, diese gegenseitige Unterstützung und ihre möglichen Formen, interessieren uns sehr.
Wenn wir durch das Hexengeflüster blättern, dann ist es, als hättet ihr uns Briefe geschrieben. Anhand dieser Briefe lernen wir über den Aufbruch zur Selbsthilfe in den 70er Jahren, über die Praxen, die ihr erprobt und die Einflüsse, von denen ihr gelernt sowie von den Strukturen, die ihr aufgebaut habt. Im FFBIZ konnten wir durch die frühen FFGZ-Korrespondenzen stöbern, durch Entwürfe, Matrizen, Abschriften und Leserinnenbriefe, durch eure Zeitschrift für Frauengesundheit Clio und durch das Eröffnungsheft des ersten Feministischen Frauengesundheitszentrums in Europa, das ihr als Konsequenz aus der Arbeit am Hexengeflüster gegründet habt.
Das Hexengeflüster bündelt Wissen und Material für die Frauen*- und Gesundheitsbewegung, es enthält Fragebögen, Fotos, Zeichnungen und praktische Untersuchungsanleitungen zur Aufklärung und Recherche. Es ist Informationssammlung, Toolbox und Handbuch zugleich. Im Vorwort berichtet ihr vom Besuch zweier US-amerikanischer Feministinnen aus einem Frauengesundheitszentrum in L.A. Sie zeigten euch gynäkologische Selbstuntersuchung, erzählten, wie sie zur Selbsthilfe gekommen waren und welche Aktivitäten daraus entstanden: „Gründung von Gesundheitszentren für Selbsthilfe, gynäkologische Behandlung, Schwangerschaftsabbruch, Forschung, Verbreitung von Selbsthilfe durch Literatur und Selbsthilfe-Einführungen in Betrieben, Büros, Schulen, Frauenzentren; öffentliche kritische Auseinandersetzung mit Bevölkerungspolitik, mit dem Gesundheitssystem und mit der Pharmaindustrie.“
Wir finden viele Ähnlichkeiten mit euch in dem, was wir tun. In unserer Feministischen Gesundheitsrecherchegruppe erforschen und entwickeln wir selbstermächtigende, feministische Perspektiven auf Gesundheit. Wir besuchen Gruppen, Institutionen und Initiativen, die Alternativen im Gesundheitssystem aufgebaut haben, und treffen Protagonist*innen der Gesundheitsbewegung. Zugleich bauen wir eine Bibliothek auf und veröffentlichen unsere Recherchen in eigenen Heften. Wir erproben Methoden und Übungen und geben sie in Workshops weiter. Bei der Zusammenarbeit mit Aktivist*innen, Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen begegnet uns immer der drängende Wunsch nach feministischen Arbeitsweisen, nach solidarischer Sorge und nach einem Durchbrechen zerstörerischer Selbstausbeutung, krankmachender Selbstmobilisierung und Konkurrenz untereinander.
Die Arbeit unserer Recherchegruppe bedeutet, sich annähern, sich vertraut machen, sich in Bezug zu setzen, Bündnisse eingehen und selbstermächtigendes Lernen zu gestalten. In unserer Arbeit sind die Briefe, die wir heute von euch lesen, wichtige Ratgeber*innen. Sie sind die Frau*, die sich uns zuwendet und uns ins Ohr flüstert. Sie sind Ermutigung, Ressource und Ansporn zugleich.
Dafür danken wir euch und euren Mitstreiter*innen.
Alice, Inga, Julia
Feministische Gesundheitsrecherchegruppe Berlin