Koryphäe – Medium für feministische Naturwissenschaft und Technik
Gabriele Wohlauf
geb. 1950, Technikhistorikerin, Mitaufbau des Deutschen Technikmuseums Berlin, Altfeministin, Hobby: Frauennetzwerke, feministische ForschungEine ehemalige „Redakteuse“ (Dagmar Heymann) erinnert sich im vorgestellten Jubiläumsheft 2006: „Unser Alltag bestand aus Leben und Arbeit zwischen Eva Sassens Haus und dem Redaktionsbüro. Artikel wanderten aus Evas Zimmer über die Küche in meins und wieder zurück, versehen mit Korrekturen und Anmerkungen. Dazu schrieb ich noch zwei kleinere Texte … Irgendwann war dann die Koryphäe druckreif!“
Die Koryphäe wurde im Oktober 1986 mit der Nullnummer als neue feministische Frauen- und Bewegungszeitschrift mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften und Technik gegründet. Die Initiatorinnen Eva Sassen, Romy Klupsch, Dorit Lawrenz schrieben damals: „Wir, die wir in männerdominierten Berufen unsere Frauen zu stehen versuchen (…), aus unserem Schattendasein heraustreten sollten (…), was liegt da näher, als die Öffentlichkeitsarbeit selbst in die Hand zu nehmen!“
Ihr Aufruf zur Mitarbeit hieß damals: „Schickt, was Ihr veröffentlichen wollt, wir diskutieren die Artikel mit euch und drucken unzensiert. Wir sammeln Bilder, Comix, Informationen, Biografien, Vorschläge für den Chauvie der Jahreszeit! Welche von euch weiß von einer Stelle, die frei wird, neu ausgeschrieben wird, wo sich, wenn sie’s wüßten, viel mehr Frauen bewerben könnten? Nur Mut, schreibt wie’s euch geht oder ergangen ist! Schreibt über Ungerechtigkeiten, Probleme, Gedanken, die Ihr als Frauen in Naturwissenschaft und Technik täglich erlebt …“
Von Anfang an waren zentrale Inhalte: Atomenergie mit Tschernobyl als Auslöser, Computerisierung, Ökologie, feministische Kritik der Naturwissenschaften und Technik, Gen- und Reproduktionstechnologien, Medizin und Gesundheit, Ingenieurwissenschaften, Nanotechnologien, Regenerative Energien, Interdisziplinarität, Frauenpolitik und Entwicklungshilfe, Agrar- und Nahrungspolitik, das Für und Wider geschlechtergetrennten Unterrichts, Frauenstudiengänge.
All diese Themen und auch weitere wurden von den Frauen immer feministisch-kritisch gegen den Strich gebürstet, analysiert und mit dem Ziel der praktischen Politikeinmischung weiterverfolgt. Die Zeitschrift verstand sich selbst explizit nicht als akademischer Elfenbeinturm. Die vorgestellte Jubiläumsnummer 40 20 Jahre Koryphäe hatte noch bis 2009 fünf Nachfolgerinnen und wurde dann eingestellt. Das war dem Zeitgeist des digitalisierten 21. Jahrhunderts geschuldet. Anfang der 1990er Jahre entstand in Wien ein Gesprächskreis „Feministische Naturwissenschaft und Technik“, FemiNate, der 1998 ein Heft als Gastredaktion herausgab. 2001, auf dem 27. Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik (FiNuT), übergab die Gründungsfrau Eva Sassen die Redaktion an Wien, die bis 2009 als Herausgeberinnen aktiv waren.