Ladyfest Wien 2004
Sushila Mesquita
arbeitet im Referat Genderforschung der Uni Wien, unterrichtet und ist verstrickt in queer-feministisch-rassismuskritische Netzwerke„Meine Güte, ist das lange her!“, denke ich, während ich beim Anblick des DVD-Covers in Erinnerungen an meine Ladyfest-Erfahrungen versinke. Begonnen hat alles Ende der 1990er Jahre, als ich gemeinsam mit Ute und Iris den Plan schmiedete, zum (ersten) Ladyfest nach Olympia, Washington zu reisen. Das kleine Städtchen im Nordwesten der USA war zu diesem Zeitpunkt längst mein Allerlieblingsort. Dort kamen meine Lieblingsbands her, dort hat sich in den frühen 1990er Jahren eine queer-feministische Musik- und Kunstszene gebildet, deren Teil ich so gerne sein wollte. Was damals gar nicht so einfach war, long-distance und ohne Internetzugang.
Die erste Augustwoche im Jahr 2000 war tatsächlich eine der besten Wochen meines Lebens. Ich landete auf dem Cover des Lokalblatts – in ziemlich arg verkrümmter Pose zwar, wurde ich doch beim Versuch abgelichtet, ein rohes Ei zu fangen, das mir Ute aus 20 Meter Entfernung zugeworfen hatte. Ich erinnere mich an viel Gequietsche unsererseits, das wir bei den zahlreichen Interviews mit unseren angebeteten Lieblingsbands so gut es ging zu vermeiden versuchten; an Honigkuchenpferdchendauergrinsen, an mein erstes Konzert von The Gossip in einem abgefuckten Keller irgendwo in Olympia, an Tränen der Euphorie nach dem Konzert von Sleater-Kinney, an eine eigenartige Begegnung mit Cat Power, an Posen mit den Butchies, an die umwerfende Sarah Dougher und viele andere Held_innen; an den Beginn jahrelanger Freundschaften; an das Gefühl, einem historischen Ereignis beigewohnt zu haben. Vor allem aber erinnere ich mich an die Energie dieser elektrisierenden Woche und an das unglaublich tolle und bestärkende Gefühl, tatsächlich Teil von all dem zu sein.
Es dauerte ganze drei Jahre, bis die Post-Ladyfest-Depression etwas nachließ, als das Ladyfest 2003 endlich nach Hamburg überschwappte – an einen Ort, mit dem ich schon länger freundschaftlich und musikalisch verbunden war und der nicht so weit weg lag wie die anderen Ladyfeste, die inzwischen vielerorts aufpoppten. Obwohl das Ladyfest Hamburg sich in Vielem vom ersten Ladyfest unterschied, war auch hier diese Energie zu spüren. Ich habe tolle Konzerte gesehen, Workshops besucht, alte Freundschaften vertieft und neue gefunden, mich – die meiste Zeit zumindest – unbeschwert und glücklich gefühlt.
Zurück in Wien dauerte es nicht lange, bis der Entschluss gefasst war, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Dem ersten vorsichtigen Aufruf folgten über 50 Personen! Was dann kam, war ein Jahr voller wöchentlicher Treffen mit teils hitzigen Diskussionen über Einladungs- und Raumpolitik, Entscheidungsstrukturen, Zusammensetzung des Orga-Kollektivs, den Begriff „Lady“, die (nicht) kommerzielle Ausrichtung, Fragen der Finanzierung, Arbeitsteilung und Entlohnung.
Trotz der Anstrengungen, die mich das alles als eine der wenigen Menschen of Color in einer (nach wie vor) weiß-dominierten Szene kostete, hat mich die viele Arbeit auf mehreren Ebenen bereichert. Ich habe so viel gelernt über kollektives Organisieren, über die Möglichkeiten, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und uns in eine transnationale Geschichte einzuschreiben. Es haben sich neue Netzwerke, Freundschaften und Bündnisse aufgetan, die die feministische Musiklandschaft nachhaltig prägen. Es sind lokale Bands, Labels und Konzertreihen entstanden, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, ein neues Selbstbewusstsein und mit den Girls Rock Camps auch eine neue Generation von feministischen Musiker_innen, die sich Sachen auf der Bühne trauen, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. All das ist nach wie vor sehr wichtig für mich, auch wenn der verklärte Blick zurück durch die viel zu wenig hinterfragte Dominanz von whiteness mittlerweile etwas gebrochen ist.