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„Schmeiẞ das Zeug endlich weg!“
Erfahrungen einer mädchen­politischen Aktivistin

Dipl. Soz. Päd.in, mädchen-, frauen-, lesbenpolitische Aktivistin im Land Brandenburg und darüber hinaus. Ehrenamtlich in der BAG Mädchenpolitik.

Der Satz ist mir nicht nur ein Mal begegnet als Mitarbeiterin in Einrichtungen der Mädchenarbeit. „Alles vorbeibringen, auch unsortiert, wir machen den Rest“ war die wohltuende Antwort für das scheinbar Überflüssige, die aus den Frauenarchiven kam.

Einrichtungen der feministisch- und gleichstellungsorientierten Mädchenarbeit verfügen selten über großartige Raumressourcen. Zudem ist Mädchenarbeit ein dynamisches Gefüge. Die „Generationen“ der Stammbesucherinnen verändern sich oft innerhalb von zwei Jahren – auch, wenn die Mitarbeiterinnen länger dort arbeiten. Im Praxisfeld entstehen viele kleine oder umfangreichere Projekte. Diese oft auch mit schriftlichem „Output“, der in Kartons, Ecken und Regalen landet und immer wieder die Diskussionen um das „Wegwerfen“ anheizt.

Feministisch orientierte Mädchenarbeit bzw. Mädchenpolitik (eine geht nicht ohne die andere) begann Ende der 70er Jahre. Das einseitige, schreibmaschinengeschriebene Forderungspapier der Berliner Pädagoginnengruppe für die Sommeruni 1979 hat zum Teil noch immer Aktualität. Die Inhalte wurden in Büchern und anderen Veröffentlichungen vielfach weiterbearbeitet.

Ich habe nun über vierzig Jahre lang in mädchen- und frauen-/lesbenpolitischen Zusammenhängen mitgewirkt, gehöre also zur Generation des Aufbaus. Meine ersten frauen-/mädchenpolitischen Schritte machte ich in München. Von Anfang an gab es eine enge Zusammenarbeit mit einzelnen Wissenschaftlerinnen, die die Praxis der Fachfrauen in der (westdeutschen) Mädchenarbeit/-politik bundesweit stützten, konstruktiv beeinflussten, weiterbrachten und dazu veröffentlichten. Beispielhaft für prägende Wissenschaftlerinnen der (mindestens) „ersten Stunden“ sind für mich: Anita Heiliger, Heide Funk und Maria Bitzan. Viele andere kamen im Laufe der Jahrzehnte dazu. Ab 1989 wuchs die „Szene“ um die mädchenpolitischen Aktivistinnen aus Praxis und Wissenschaft in den ostdeutschen Ländern. Schnell entstand eine gewinnbringende Vernetzung zwischen „Ost“ und „West“. Ausdruck einer neuen bundesweiten Struktur wurde 1999 die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mädchenpolitik – von Anfang an der größte mädchenpolitische Zusammenschluss.

Ganz wichtig für Reflexion, Vernetzung, Impulssetzung und die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis war die Seminarreihe Weiblichkeit als Chance im Wannseeheim für Jugendarbeit in Berlin. Gabriele Naundorf schaffte es dort in ihrer Funktion als Leiterin, über zwei Jahrzehnte hinaus Wissenschaftlerinnen und Praktikerinnen – nicht nur aus Deutschland – zusammenzubringen. Es gibt einige Dokumentationen dieser einwöchigen Tagungen, die gerade wegen ihres Umfangs so produktiv und kreativ waren. Reflexion und Weiterentwicklung brauchen Zeit! Die Kreativität und Impulse, die im Wannseeforum entstanden, waren einzigartig in ihrer Wirkung auf ganz unterschiedlichen Ebenen.

Ich bin froh, dass es Orte wie das FFBIZ und andere feministische Archive gibt. Zu wissen, dass dort nicht nur gesammelt und aufbereitet wird, was die Geschichte der Mädchenarbeit und -politik dokumentiert, sondern dass dieses auch zugänglich bleibt, beruhigt mich sehr. Die dynamische Geschichte der feministischen und gleichstellungsorientierten Mädchenarbeit und Mädchenpolitik darf nicht unsichtbar bleiben. Mädchenpolitik und Mädchenarbeit sind nicht auf den Status „Tochter“ der Frauen-/Lesbenbewegung zu reduzieren, sondern ein ganz eigener Bereich. Die BAG Mädchenpolitik will diese Impulse in Zusammenarbeit mit Archiven noch viel stärker sichtbar werden lassen – im Rückblick und mädchenpolitisch zukunftsgerichtet für die Arbeit mit Mädchen/jungen Frauen.