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Sexismus-Debatte #aufschrei

(jasnastrick.de) ist Autorin und Referentin zu Geschlechtergerechtigkeit und (Netz-)Feminismus sowie Mit­initiatorin des Hashtags #aufschrei.

2018 jährt sich der Start der #aufschrei-Debatte zum fünften Mal. In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 2013 begann Nicole von Horst, auf Twitter über sexualisierte Übergriffe zu schreiben, die ihr widerfahren waren. Es lag etwas in der Luft im Januar 2013, denn Nicoles Tweets waren nicht nur die ersten Ankündigungen zum anstehenden Stern-Bericht über die sex­istischen Aussagen von Rainer Brüderle vorangegangen. Bei Spiegel Online war über Sex­ismus in der Piratenpartei geschrieben worden, viele Blogs diskutierten (wieder mal) Übergriffigkeit und street harassment, u. a. die Bloggerin Maike Hank auf kleinerdrei.org.

Nicoles Tweets haben mich in jener Nacht sehr berührt und ich konnte nicht anders, als ihr zu antworten, aber auch eigene Geschichten über ähnliche Erlebnisse beizusteuern. In unserem Dialog äußerte Nicole den Wunsch, einen Hashtag zu finden. Anne Wizorek war dann diejenige, die #aufschrei vorschlug. Zu diesem Zeitpunkt waren schon die ersten Steine ins Rollen gekommen, die sich durch den Hashtag zu einer Lawine entwickelten. Ganz Twitter war voll von Geschichten über blöde Sprüche, Beleidigungen, Nötigungen und Vergewaltigungen. In den ersten 14 Tagen wurden ca. 60 000 Tweets mit dem Hashtag #aufschrei versehen. Es folgten Berichte in fast allen deutschen Medien. Nirgendwo konnte man dem Thema entrinnen. Im Juni 2013 wurde der Hashtag dann mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

Das ist jetzt fünf Jahre her und ich habe diese Geschichte inzwischen unzählige Male erzählt. Seitdem gab es immer wieder traurige Anlässe, zu denen über sex­ualisierte Gewalt berichtet werden musste. Manche dieser Debatten sind nicht nur schwer erträglich, sondern auch ermüdend, weil an so vielen Stellen gefühlt immer wieder von vorne angefangen wird zu diskutieren. Dann versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, was wir schon alles geschafft haben: Sowohl vor als auch nach #aufschrei war sexualisierte Gewalt für Feminist*innen Kernthema. Doch durch den Hashtag und die Folgedebatte wurde der Begriff „Sex­ismus“ in Deutschland endlich wieder sagbar. Sex­ualisierte Gewalt und Sex­ismus wurden an Küchentischen, in Klassenzimmern, Vorlesungssälen, Büros, Fernsehstudios und im Netz diskutiert. Nicht nur von Betroffenen untereinander, sondern gesamtgesellschaftlich.

Bis alle Menschen das Problem und die Notwendigkeit von weitreichenden Gegenstrategien vollumfänglich verstanden haben, muss sicherlich noch viel geredet, geschrieben und gestritten werden. Trotzdem ist der Hashtag #aufschrei ein wichtiges Stück feministischer Geschichte und ein Zeugnis vom Mut vieler Menschen, die sich getraut haben, ihre Geschichte zu erzählen.