Veranstaltungsdokumentation

„Wie sich die Bilder gleichen!!“

Gründungsmitglied und Sprecherin der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e. V., erste Frauenbeauftragte von Berlin 1984–1990

Wir schreiben das Jahr 2004. Eine Zeit, die mit den tiefgreifenden Veränderungen der sogenannten Hartz-Reformen viele Frauenverbände zutiefst beunruhigt, weil diese Reformen nicht auf die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen von Frauen eingehen – ihre (oft ungewollte) hohe Teilzeitquote, ihre Arbeit (mehrheitlich) in schlecht bezahlten Berufen, die Tatsache, dass Frauen zu 80 % die unbezahlten Tätigkeiten in Erziehung und Pflege übernehmen, zum Dank dafür „belohnt“ mit einer Rente, die kaum über der Grundsicherung liegt.

Damals haben wir uns gefragt: Wie ist die Situation von Frauen in anderen Europäischen Ländern? Welche staatlichen Rahmenbedingungen beeinflussen dort die Lebensentwürfe von Frauen? Und wir beschlossen, uns auf einem Kongress mit diesen Fragen und Schlussfolgerungen zu befassen.

Beim Durchlesen der Referate aus dem Jahr 2004 wird klar: Wir beschäftigen uns immer noch mit den gleichen Sorgen. Das zeigt schon eine Auswahl von Zitaten aus den Referaten, die alle ein gründlicheres Nachlesen lohnen:

„Das sogenannte Ehegattensplitting ist ein finanzieller Anreiz für Paare, bei denen Frauen die Rolle der unbezahlten Betreuerin übernimmt, die schlecht bezahlt hinzuverdient.“ Staatssekretärin für Frauen, Susanne Ahlers.

„Alle Sparmaßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und Rentenpolitik zeigen in ihrer problematischen Wirkung die Familienabhängigkeit sozialer Leistungen auf. Denn die Leistungen, die Frauen über den Ehemann erhalten, sind weniger wert geworden …“ Sen. a. D. Prof. Barbara Riedmüller, Otto-Suhr-Institut, FU Berlin.

„Die Bedeutung der sozialen Dienstleistungen ist (…) wichtig für die soziale Integration in der globalisierten Wissensgesellschaft (…). Der Bereich übernimmt Aufgaben solidarischer Unterstüzung und Fürsorge in den Generationenbeziehungen und damit (…) wichtige Arbeiten, die aus der Familie hinausverlagert wurden.“ Prof. Birgit Pfau-Effinger, Universität Hamburg.

„Die erste Herausforderung ist die Verbreiterung der Zugangschancen zu kollektiven Rentensystemen mit umverteilenden Elementen (…). Dies betrifft vor allem die Absicherung derjenigen, die nicht abhängig beschäftig sind (…). Mit steigenden Frauenanteilen unter den Selbständigen wird diese Zugangsbeschränkung stetig an Brisanz gewinnen.“ Michaela Willer, FU Berlin.

„Die neue Soziale Frage betrifft jene Mehrheit!, die ohne Arbeit ist, die un- oder unterbezahlt menschennahe, private, reproduktive (…) Arbeit leisten, die erzwungener-massen irgendeine Arbeit verrichten müssen (…), die dereguliert oder regellos arbeiten, die neue selbständige Arbeit (…).“ Autorin Mechtild Jansen, Berlin

Im Jahr 2017 stellen wir fest, dass keine dieser Aussagen ihre Brisanz verloren hat. Das zeigten in den nachfolgenden Jahren viele unserer Veranstaltungen, u. a. die Kongress-Reihe der Überparteilichen Fraueninitiative zum Thema „Was ist Leistung?“. Fast sieht es so aus, als ob es zwischen dem Kongress 2004 und dem Jahr 2017 einen roten Faden gäbe. Aber den gab es nicht. Es sind die Verhältnisse, sie haben sich kaum geändert.

Wie gut, dass das FFBIZ-Archiv uns diese frauenpolitischen Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Jahren 2004 und 2017 eröffnet hat! Wir gratulieren zu 40 Jahren wichtiger Arbeit für das frauenpolitische Gedächtnis und Netzwerk.